Feinstaub: Ein privates Messprojekt in der Lorettostraße oder die Hoffnung auf bessere Luft

Die Lorettostraße in Freiburg ist sehr stark befahren, doch sie war nie als Hauptverkehrsachse gedacht. Eine Kita, eine Grundschule und ein Wohnheim für studierende Eltern befinden sich hier. Wir – drei grüne Aktive – haben ein Jahr lang den Feinstaub gemessen, um eine objektive Datengrundlage zu erhalten. Die Messdaten zeigen zwar, dass die staatlich gesetzten Grenzwerte des Umweltbundesamtes (UBA) voraussichtlich eingehalten werden. Jedoch zeigen sie auch deutlich, dass die von der WHO empfohlenen Grenzwerte überschritten werden. Die Frage bleibt: Ist die Feinstaubbelastung – speziell in der Lorettostraße – vertretbar, oder sollten die gesetzlichen Richtwerte des UBA auf den Prüfstand?

Alle wissen, Emissionen im Straßenverkehr sind gesundheitsschädlich. Aber auch Feinstaub ist gesundheitsschädlich. Seit 2005 gibt es auch dafür Grenzwerte. In der heutigen Zeit ist die Feinstaubbelastung so hoch wie noch nie. Gerade in Städten gibt es besonders viel Feinstaub wegen des Straßenverkehrs: Verbrennungsprodukte und aufgewirbelter Abrieb von Bremsen und Reifen sorgen dafür, dass Feinstaub in unsere Luft gerät, wir diesen einatmen und er somit in unseren Organismus kommt.

Wir haben uns also intensiv mit Feinstaubpartikeln beschäftigt. Wichtig zu wissen: Je kleiner die Feinstaubpartikel, desto tiefer können sie in unseren Körper eindringen. Wie gesundheitsschädlich der Staub ist, hängt in erster Linie von zwei Faktoren ab: Von der Partikelgröße und von der chemischen Zusammensetzung.

Ausschlaggebend bei der Bestimmung der Größe der Feinstaubpartikel ist der sogenannte „aerodynamische Durchmesser“. Entgegen der Intuition ist dieser Durchmesser nicht die physische Größe der Partikel, sondern gibt an, wie lange sich die Partikel in der Luft aufhalten, bevor sie sich auf den Boden absetzen. Je kleiner dabei das Partikel, desto länger bleibt es in der Luft. Der aerodynamische Durchmesser wird in „PM“ (Particulate Matter) angegeben. Bei Feinstaub wird zwischen groben Partikeln, feinen Partikeln und ultrafeinen Partikeln unterschieden, und je kleiner, desto gesundheitsschädlicher:

BezeichnungAerodynamischer DurchmesserAbkürzungEindringen in den Körper
Grob2,5µm – 10µmPM10Bis in die Nasenhöhle
Fein<2,5µmPM2,5Bis in die Bronchen und Lungenbläschen
Ultrafein<0,1µmPM0,1Bis in das Lungengewebe und Blutkreislauf

Wie entsteht Feinstaub im Straßenverkehr?

Der grobe Feinstaub PM10 entsteht durch Abrieb von Bremsen, Reifen, Kupplungen und Fahrbahnbelägen sowie durch Verbrennungsprozesse im Motor. Der feine PM0,1 entsteht hauptsächlich durch Verbrennungsprozesse, z.B. durch Dieselmotoremissionen, aber auch durch Tabakrauch, Ethanolöfen und Kerzenabbrand.

Generell muss man, wenn man über die gesundheitlich relevante Feinstaubbelastung diskutiert, auch zwischen Emission und Immission unterscheiden. Emission ist der Feinstaub, der entsteht. Immission ist der Feinstaub, der beim Menschen (oder einem Messgerät) ankommt. Die Immission ist zu einem großen Teil von den vor Ort vorliegenden Luftbewegungen, den klimatischen Bedingungen und der Raumstruktur abhängig. So ist beispielsweise in einer Straßenschlucht bei Stop-and-Go Verkehr an einem trockenen Sommertag die Feinstaubbelastung höher als in einer grünen Allee bei gleichmäßigen Verkehrsfluss an einem windigen Regentag.

Gesundheitliche Auswirkungen von Feinstaub

Wenn der Feinstaub eingeatmet wird und sich im Körper festsetzt, muss der Staub von körpereigenen Zellen heraus befördert werden, was oft mit einer messbaren Entzündungsreaktion einhergeht. Je nach chemischer Staubzusammensetzung ist die Reaktion verschieden. Zusätzlich können Krankheitserreger den Feinstaub als Transportvehikel benutzen, um in den Körper zu gelangen. Das ist das gleiche Prinzip, wie es auch bei Coronaviren und Aerosolen vorkommt.

Das Umweltbundesamt (UBA) untersuchte 2018, wie viele Krankheitsfälle prozentual gesehen rein auf langjährige Feinstaubbelastung zurückgeführt werden können. Das Ergebnis:

Feinstaub ist  verantwortlich …

  • für 6% der chronischen Lungenerkrankung COPD
  • für 7% der Lungenkrebserkrankungen,
  • für 11% der Schlaganfälle,
  • für 10% aller ischämischen Herzerkrankungen
  • und für 10% der Diabetis mellitus Typ 2 Fälle.

Ein weiteres Ergebnis: Deutschland verlor im Jahr 2018 insgesamt 280.558 Jahre an Gesamtlebenszeit in der Bevölkerung.

Zum Vergleich: Im Coronajahr 2020 gingen insgesamt schätzungsweise 305.641 Lebensjahre durch COVID-19 in Deutschland verloren. Allein an diesem Vergleich sieht man, wie gefährlich Feinstaub ist!

Feinstaub und die Gesundheit von Kindern

Besonders verheerend können die Folgen von Feinstaub auf  Kinder haben, deren zarten Lungen sich noch im Aufbau befinden. Der Feinstaub kann auf vielfältige Weise schwere Folgen auf die Gesundheit von Kindern haben. Mögliche Folgen sind Asthma, Allergien, Lungenkrebs, Gefahr für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie eine verzögerte Entwicklung der geistigen und motorischen Fähigkeiten.

Unterschiedliche Grenzwerte sorgen für Unklarheit

Über die Grenzwerte sind sich das UBA und die World Health Organization (WHO) uneinig. Auch wenn es laut WHO keine Feinstaubkonzentration gibt, unter der sich keine gesundheitlichen Schäden entwickeln, gibt sie als Grenzwert für den groben Feinstaub 15µg/m³ (PM10) und für den feinen Feinstaub 5µg/m³ (PM2,5) im Jahresmittel an. Die WHO legt damit deutlich strengere Maßstäbe an als das UBA. Das Umweltbundesamt erlaubt als gesetzliche Grenzwerte für den groben Feinstaub 40µg/m³ (PM10) und für den feinen Feinstaub 25µg/m³ (PM2,5). Das deutsche UBA lässt also deutlich mehr Feinstaub als die WHO zu!

Für den UBA PM10-Grenzwert gibt es eine Zusatzbedingung: Der Grenzwert ist auch dann überschritten, wenn der Tagesdurchschnitt von 50µg/m³ in einem Jahr mehr als 35-mal passiert.

Die gesetzlichen Grenzwerte in Deutschland werden großflächig eingehalten, klar, denn sie sind auch großzügiger. Die strengeren WHO-Grenzwerte werden weniger gut eingehalten.

Wichtig zu wissen: Überregionale Messstationen messen den Durchschnittswert über große Flächen und lange Zeiträume hinweg. Mit dieser großflächigen Messmethode lassen sich keine lokalen Feinstaub-Hotspots untersuchen. Es ist also mehr als fraglich, ob die Grenzwerte auch an diesen Hotspots  eingehalten werden.

Sensor Community – Die Feinstaubmessung für alle

Im Open-Science-Projekt https://sensor.community wurde ein solcher Feinstaubsensor für Hotspots entwickelt. Dieses Messgerät kategorisiert in PM10 und PM2,5. Es kann leider nicht den ultrafeinen Feinstaub PM0,1 messen.

Einen solchen Sensor haben wir von Oktober 2021 bis November 2022 in der Lorettostraße platziert, in einer Höhe von etwa zwei Metern über dem Bürgersteig gegenüber der KiTa.

Dieser Sensor funktioniert mit einem optischen Messverfahren. Er saugt Luft durch einen dünnen Schlauch an und bestrahlt diese in einer Messkammer mit einem Laser. Durch die Art, wie der Laser durch den Staub gestreut wird, kann ein verbauter Mikrochip kontinuierlich die Feinstaubwerte berechnen. Der Vorteil daran ist, dass der Sensor Schwankungen schnell erfasst, da alle drei Minuten ein Datenpunkt generiert wird. Der Nachteil daran ist, dass der Sensor zum Zeitpunkt der Herstellung einmalig kalibriert wurde und die Umstände vor Ort ggf. stark anders sein können, was das Messergebnis verfälschen kann.

Kleine Nebeninfo: Amtliche Stellen benutzen zur Feinstaubmessung sogenannte “Referenzmessverfahren”, wovon eines das “gravimetrische Messverfahren” ist. Auch hier wird die Umgebungsluft angesaugt, jedoch wird der Staub in einem Behälter gesammelt, der in regelmäßigen Abständen in ein Labor gebracht und dort untersucht wird. Der große Vorteil hierbei ist, dass das Verfahren sehr präzise ist und auch die chemische Zusammensetzung — und damit auch die Feinstaubquelle — genau bestimmt werden kann. Der Nachteil ist, dass tageszeitabhängige Schwankungen damit nicht erfasst werden können.

Private Feinstaubmessungen bieten Grundlage für wichtige Diskussionen

Zwar kann man mit selbst erhobenen Daten eine Stadt nicht zum Handeln zwingen, doch kann man mithilfe des Open-Science-Sensors zeitlich oder räumlich begrenzte Feinstaub-Hotspots gut identifizieren. Damit kann man eine gemeinsame Datengrundlage für die Diskussion zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden, Einzelhandel und anderen Organisationen schaffen. In Freiburg sind übrigens drei Open-Science-Sensoren im privaten Einsatz.

Mit unseren Messdaten können wir eine Korrelation zwischen Verkehrsmenge und Feinstaub in der Lorettostraße feststellen. Und es lassen sich grafisch die UBA & WHO Grenzwerte einzeichnen sowie Ferienzeiten und typische Tagesverläufe.

Einordnung unserer Messdaten, ein Fazit und eine Möglichkeit, aktiv zu werden

Die stark befahrene Lorettostraße beherbergt eine Kita, eine Grundschule und ein Wohnheim für studierende Eltern. Allein schon das wirkt wie ein Anachronismus. Der Umbau der naheliegenden, parallel geführten Basler Straße vor vielen Jahren hat sukzessive dazu geführt, dass die Lorettostraße zu einer wichtigen Ost-West-Achse des KFZ-Verkehrs wurde. An einem durchschnittlichen Werktag fahren rund 5.500 Personenwagen sowie rund 1.000 Transporter durch diese Straße. Besonders viele Menschen – vorwiegend Kinder – sind hier einer zusätzlichen hohen Feinstaubbelastung ausgeliefert.

Unsere Messdaten zeigen zwar, dass die staatlich gesetzten Grenzwerte des UBA voraussichtlich eingehalten werden. Jedoch zeigen sie auch deutlich, dass die von der WHO empfohlenen Grenzwerte überschritten werden. Wir finden: Die gesetzlichen Richtwerte gehören auf den Prüfstand. Sie sollten sich stärker an den Grenzwerten der WHO orientieren. Nur so können wir die Feinstaubbelastungen in Städten minimieren.

Petition Bündnis Lorettostraße

Wer es noch nicht weiß: Viele Menschen haben sich zum Bündnis Lorettostraße zusammengeschlossen, um aktiv zu werden. Das Bündnis hat eine Petition gestartet und fordert darin eine sechsmonatige Testphase zur wirksamen Unterbindung des KFZ-Durchgangsverkehrs in der Unterwiehre. Vorbild sind die Superblocks in Barcelona.


Jede Stimme zählt. Hier könnt ihr mitmachen.
https://www.openpetition.de/petition/online/verkehrsberuhigung-unterwiehre-jetzt-testphase-zur-unterbindung-des-kfz-durchgangsverkehrs

Autor*innen:

Paul Daum (Vorsitzender des VCD Freiburg)

Sowie Antigone Kiefner (GIF Redaktionsleitung)

und Nele Schreiber (Vorstandsmitglied im KV Freiburg)

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