Unsere Autorin Pamela vom AK Digitales war in Quarantäne und hat die Zeit genutzt, sich über digitale Möglichkeiten der Versorgung zu informieren. Daraus ist in intensiver Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Digitales eine spannende Recherche zu regionalen Online-Plattformen geworden, die mit viel Kreativität und Ausdauer den digitalen Handel voranbringen.
Nach zwei Jahren Pandemie ist es so weit: Ich bin Corona positiv. Quarantäne und ein leerer Kühlschrank. Was mache ich jetzt? Ich bin neu in Freiburg, das Studium steht an und ich bin auf mich allein gestellt. Die Quarantäne-Zeit mit Lieferdiensten überstehen kann ich mir nicht leisten. Was tun?
Regionale Zuliefer*innen präsentieren online und liefern bis an die Haustüre
Im Urlaub hab‘ ich ein großartiges Angebot entdeckt. Online haben wir von einem Hofladen bestellt und es wurde uns an den Campingplatz geliefert. Gibt es so etwas auch hier in Freiburg? Eine kostengünstige, gesunde und regionale Lösung? In Frankreich hatten wir mal bei der Marktschwärmerei bestellt. Regionale Zuliefer*innen bieten auf einem handelsüblichen Marktplatz online ihre Produkte an, die dann entweder abgeholt oder geliefert werden können. Ich recherchiere und finde im Raum Freiburg eine ähnliche Plattform: Regional bringt‘s. Lokale Zulieferer*innen vertreiben auf dieser Plattform ihre Waren. Bedingung: Die Produkte müssen zu 100% lokal hergestellt sein. Kund*innen können zwischen 20 Höfen und Erzeuger*innen wählen und auch etwas über sie erfahren. Alles was bis Donnerstag bestellt wurde, wird am Samstag an die Haustüre geliefert. Gesagt getan – schon ist die Quarantäne gerettet.
Lokale Händler*innen unterstützen – auf digitalem Weg
Mittlerweile bin ich gut über den Berg gekommen. Seit heute Morgen bin ich Corona negativ. Mit „Regional bringt’s“ ist Corona überstanden und mich hat der regionale Lieferdienst nicht losgelassen. Ich finde das Konzept spannend und bin neugierig, was Freiburg hier noch zu bieten hat. Sobald mein Studium beginnt, werde ich froh sein nicht so oft einkaufen gehen zu müssen. Dabei ist es mir wichtig, lokale Händler*innen zu unterstützen. Seit Jahren sind der lokale Einzelhandel und die Gastronomie bedroht, darunter auch viele kleine Händler*innen. Die Situation hat sich durch Corona weiter verschärft. Ich möchte digitale und regionale Alternativen zu großen Plattformen, wie zum Beispiel Amazon, finden und recherchiere weiter.
Eine kleine feine Auswahl:
# Ich entdecke zunächst Onlinekarten. Ein super Anhaltspunkt als Neuling in der Stadt bietet die Karte von morgen. Sie ist eine Nachhaltigkeitskarte und zeigt zukunftsfähige Unternehmen, Orte und lokale Initiativen.
# Eine weitere Plattform ist cima.digital. Hier wird ebenfalls mit einer Onlinekarte gearbeitet, die digitale Initiativen nach ihren Ansätzen auflistet.
# Im einfachsten Fall gibt es Stadtgutscheine oder digitale Treuekarten für den lokalen Einzelhandel oder die Gastronomie.
# Ein weiteren Ansatz stellen Onlineschaufenster dar, wo Einzelhändler*innen ihr Sortiment bewerben und Kunden*innen dann direkt vor Ort einkaufen können. Bewusst ist keine Shop-Funktion vorhanden. Einen Onlineshop inklusive Lieferung zu betreiben bringt ziemlich viel Verwaltung mit sich. Nicht unbedingt stemmbar für Kleinsthändler*innen.
# Spannend sind auch die digitalen Stadt-Apps. So etwa die City App von Emmendingen. Sie sammelt verschiedene Bürger*innen-Funktionen. Innerhalb der Onlinekarte lassen sich lokale Händler*innen sowie Restaurants und Cafés finden. Zudem werden Nachrichten und Bürgermeldungen publik gemacht. Es gibt weitere Kategorien für Kinder und Eltern. Zur Sozialen Teilhabe bis hin zum Rathausservice und dem Müllkalender sind viele Funktionen schön übersichtlich integriert.
Fazit:
Im digitalen Handelsraum tut sich viel. Es braucht aber noch mehr Unterstützung
All diese Initiativen zeigen, dass der lokale Einzelhandel und die Gastronomie auch im digitalen Raum einen Platz finden – von der einfachen Onlinekarte, die Gewerbetreibende sichtbar macht, bis hin zum ausgeklügelten Webshop, der regionale Produzenten zusammenbringt. So finden Kleinsthändler*innen ohne Personal und technische Vorkennnisse einfachen Anschluss und können ihre Gewerbe sichtbar machen. Der Aufbau eines eigenen Webshops ist für viele Händler*innen zu komplex und oftmals lohnt er sich nicht wirklich. Zum anderen bieten genossenschaftsartige Shops eine starke Alternative zu großen Onlineplattformen. Hier können lokale Produzent*innen von einer gemeinsamen Plattform und einem geteilten Liefersystem profitieren.
Aus Kund*innensicht gibt es ebenfalls viele Vorteile. Die Kartennutzung ist für weniger technische affine Bürger*innen sehr niederschwellig und einfach. Die Lieferung über einen gut aufgebauten Onlineshop lockt, bietet eine gute Übersicht und lädt zum Einkaufen ein.
Für die Anbieter*innen dieser Plattformen stellt sich immer wieder die Frage, ob es sich lohnt, eine Art Amazon auf lokaler Ebene aufzubauen. Dies kann aber nur gelingen, wenn diese Plattformen so einfach wie möglich zu bedienen sind. Usability und Kosten-Nutzen-Rechnung spielen eine große Rolle. Die Modelle müssen außerdem soziale Aspekte berücksichtigen.
Entscheidend ist die Akzeptanz der digitalen Lösungen seitens der Kund*innen. Große Plattformen wie Amazon drängen immer mehr vor auf die lokale Ebene. Die Frage bleibt: Können sich lokale Händler*innen dem neuen Markt stellen und im Wettbewerb bestehen bleiben? Ich hoffe es sehr und unterstütze gerne regionale Plattformen und damit Erzeuger*innen aus der Umgebung.
Autor*innen: Pamela Strobel, Cam Long Ly und der Arbeitskreis Digitales
Pamela ist neu eingetreten bei den Grünen und möchte ihr Wissen rund um die IT und Arbeitskulturen sinnvoll einsetzen. Ihr Herzensthema ist die Digitalisierung. Dabei stehen für sie die Menschen immer an erster Stelle, vor allen Prozessen und Technik.
Cam Long beschäftigt sich seit seinem Abschluss 2014 als IT’ler mit der Digitalisierung im Unternehmen. Er möchte sich mehr in die Gesellschaft einbringen und engagiert seit kurzer Zeit bei den Grünen, damit, wie er sagt, „bei allen Schwierigkeiten zum Trotz ein ökologisches Miteinander möglich ist und wir alle ein Leben in Würde führen können“.
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