Braucht es einen Mindestpreis für Fleisch?
Pro:
„Nirgendwo günstiger“ – das garantieren laut Werbung nicht nur gleich zwei Discounter-Ketten. Es ist auch Leitmotiv des brutalen Preiswettbewerbs im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel. Grund dafür sind drei Besonderheiten des Marktes: Erstens stellen Discounter-Lebensmittel ein „homogenes Gut“ dar. Qualitätsunterschiede zwischen Penny, Netto & Co. sind kaum erkennbar und spielen für deren Marketing keine Rolle – siehe oben. Zweitens gibt es wenig Innovation, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Und drittens wächst der Markt kaum.
Die Folge: Gewinne lassen sich nicht mit mehr Umsatz steigern, sondern vor allem durch niedrigere Kosten, getreu der Kaufmannsweisheit: „Im Einkauf liegt der Gewinn.“ Mit ihrer Marktmacht geben die Handelsketten den Preisdruck weiter an die Erzeuger*innen. Dorthin, wo die menschen- und tierunwürdigen Bedingungen herrschen, die wir ablehnen.
Zwar sind auch strengere Regeln und Kontrollen nötig. Aber Verbesserungen in der Produktion kosten viel Geld. Das muss auf dem Markt verdient werden. Nur ist es bei 3,99 € pro Kilo Schweinesteak schlicht unmöglich, Arbeitnehmer*innenschutz und Tierwohl gerecht zu werden.
Ansatzpunkt muss daher der Markt für Lebensmittel sein; hier entsteht der Preisdruck, der zu den untragbaren Produktionsbedingungen führt. Diesem Wettbewerb wird durch Mindestpreise eine Grenze gezogen. Ein anderer Wettbewerb ist dagegen erwünscht: über Qualität, Service und Angebotsvielfalt.
Patrick Thalacker
Contra:
Unwürdige Arbeitsbedingungen, katastrophale Haltungsbedingungen, Umweltverschmutzung, Corona, Tönnies. Es stimmt etwas nicht mit unserer Fleischproduktion, da sind wir uns alle einig. Wir sollten etwas daran ändern. Die Frage ist aber ob Mindestpreise das richtige Mittel dafür sind um diese Missstände zu beheben. Hier ein klares Nein!
Mindestpreise sind im besten Fall ein wenig zielgenaues Instrument, und im schlimmsten Fall freut sich Tönnies über höhere Gewinnmargen. Zudem kommen sie oft mit erheblichen Nebenwirkungen. Erinnert sei an die Agrarpolitik der EU, die zu einer Überproduktion von Milch und damit zu den den sogenannten Butterbergen geführt hat. Der subventionierte Export dieser Überschüsse hat zudem den Agrarmärkten der Entwicklungsländer geschadet.
Die Umsetzung würde auch nicht leicht werden. Fleisch ist kein homogenes Gut, wie z. B. Milch. Wir müssten Mindestpreise für alle Tiere, evtl. für alle verschiedenen Teile dieser Tiere finden, wahrscheinlich auch noch für die verschiedenen Altersgruppen. Wer soll da die richtige Relation finden?
Lasst uns stattdessen da ansetzen, wo die Probleme sind. Wir sollten Mindeststandards erhöhen für eine bessere Tierhaltung und Schluss machen mit Scheinselbstständigkeit, Werkverträgen und Subunternehmen in Osteuropa, die deutsche Arbeitnehmerrechte aushöhlen. Beides muss mit strengeren Kontrollen und höheren Strafen flankiert werden, um geltendes Recht durchzusetzen. Dazu kommt eine Einbindung der Fleischindustrie in den Emissionshandel.
Rafael Mentges
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