Breisgau-S-Bahn in der Kritik

Grüne Verbesserungsvorschläge, damit alle pünktlich ankommen

Der Arbeitskreis Mobilität der Grünen in Freiburg & Region evaluiert die Breisgau-S-Bahn (BSB) seit ihrem Start im Dezember 2019. Er hat mit Nutzer*innen gesprochen und deren Kritik und Unzufriedenheit aufgenommen. Und er hat mit Expert*innen gesprochen. Daraus hat der AK detaillierte Forderungen zur Verbesserung der BSB entwickelt.

Mit der Einweihung der S2 von Elzach nach Freiburg am 14. November 2021 realisiert sich ein Investitionsprogramm von fast 600 Millionen Euro. Es hat dem öffentlichen Nahverkehr in der Region einige Vorteile gebracht: Über 300 Kilometer Strecke sind nun elektrifiziert,  es gibt durchgehende und damit umsteigefreie Verbindungen (Breisach/Endingen – Villingen/Seebrugg) sowie erneuerte Gleise und renovierte Bahnhöfe, verbesserte Bahnsteighöhen, Aufzüge, mehr Barrierefreiheit, renovierte Übergänge und Brücken sowie neues Wagenmaterial. Zusätzlich dürfen Fahrgäste nun auf allen Strecken auch ihre Fahrräder meist kostenlos mitnehmen, teilweise jedoch nicht morgens zwischen 6 und 9 Uhr. Also insgesamt viele Verbesserungen. Das ist prima.

Trotz vieler Verbesserungen sind viele Fahrgäste unzufrieden

Dennoch sind viele Fahrgäste unzufrieden. Die BSB – zumindest die Ost-Westverbindung – läuft nicht stabil. Ein guter und ehrgeiziger Fahrplan kollidiert mit einer unzulänglichen Infrastruktur, es gibt Probleme mit dem Wagenmaterial und oft unerklärliche Störungen im Betriebsablauf.

Zu den Kritikpunkten gehören

  • häufige Verspätung von Zügen;
  • (Teil-) Ausfälle von Zugverbindungen;
  • plötzlicher Ausfall von Bahnstopps (z.B. zwischen Freiburg und Gottenheim);
  • unerklärliche Stopps auf freier Strecke;
  • (dadurch) verpasste Umsteigemöglichkeiten;
  • Überfüllung von Verbindungen (insbesondere von Breisach Richtung Freiburg);
  • z.T. Verschlechterung von Fahrtzeiten, Sitzplatzzahl und Frequenz im Vergleich zu vorher (z.B. Dreiseenbahn);
  • Schwächen im Winterbetrieb, die in diesem Maße vor der Umstellung nicht bekannt waren.

Zusätzlich kritisieren viele die Informationspolitik der DB. Sie informiert häufig falsch, gar nicht, zu spät und widersprüchlich.

Was sind die Ursachen all dieser Probleme?

1

Unzureichende Infrastruktur: Die BSB hat einen Anteil eingleisiger Strecken von ca 90%. Dadurch sind Begegnungen erschwert und enge Taktfolgen unmöglich. Ärgerlich ist besonders, dass zweite Gleise 2012 im laufenden Planungsverfahren reduziert und dann teilweise entfernt wurden und – absolut nicht verständlich – die neu sanierten Gleise so verlegt bzw. Strommasten so errichtet wurden, dass ein zweites Gleis nicht ohne weiteres ergänzt werden kann.

2

Wagenmaterial: Zu wenig Züge (Triebwagen und Waggons), mangelnde Reservekapazität, häufige Störungen trotz neuer Züge, anfällige Technik. Wenige Türen, das bedeutet längere Ein- und Ausstiegszeiten und damit Verspätungen;

lange Wartezeiten bei der Bestellung neuer Fahrzeuge, denn die Hersteller von Schienenfahrzeugen bewältigen weder die Nachfrage, noch liefern sie stabil laufende Produkte.

3

Fahrplan: die Haltezeiten sind kurz. Dadurch werden schon geringfügige Verspätungen zu Problemen, die sich dann über Stunden oder den ganzen Tag auswirken.

4

Abwicklung durch die DB: unerklärliche Verspätungsserien, Unkorrektheiten bei den Blockabständen; hinzu kommt der Personalmangel.

5

Besonders ärgerlich: Optionen wurden sprichwörtlich „verbaut“ und machen Verbesserungen richtig teuer

Im Zuge der Baumaßnahmen wurden Gleise und Bahnsteige abgebaut (z.B. in Hugstetten, Eichstetten). Neue Gleise wurden z.T. so verlegt, dass sie keinen Raum für ein zweites Gleis lassen (z.B. Wiehre Richtung Littenweiler). Masten und Lärmschutzwände wurden zudem auf Flächen eines möglichen zweiten Gleises gebaut (z.B. Hugstetten). Statt einen modularen Ausbau zu ermöglichen, wurden Optionen im wörtlichen Sinne verbaut. Dies verursacht nun neue, hohe Kosten bei dem dringend notwendigen Ausbau.

So wird Verkehrswende nicht gehen und die Ziele des Landes zur Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 lässt sich so nicht erreichen.

Wir wollen, dass sich die Grünen in Region, Land, Bund und Europa (grenzüberschreitende BSB nach Colmar und Mulhouse) an die Spitze derjenigen stellen, die Konzepte für Stabilität und Ausbau vorstellen und einfordern.

Wir fordern schnelle kurzfristige Verbesserungen

1

Besonders wichtig sind jetzt, den S-Bahn Betrieb schnellstens in puncto Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und damit dem Erreichen von Umsteigemöglichkeiten zu verbessern.

2

Es braucht viele „kleine“ technische und organisatorische Maßnahmen. Experten diskutieren u.a. die Schienen-, Weichen- und Signalinfrastruktur. Optionen für eine Stabilisierung des Fahrplans sollen öffentlich vorgestellt werden. Ersatz- und Reservefahrzeuge sind unverzüglich zu bestellen, bzw. gebraucht zu beschaffen, z.B. zum Einsatz zwischen Breisach und Kirchzarten. 

3

Die DB muss den aktuellen Interims-Fahrplan (welcher deutliche Abstriche gegenüber dem ursprünglich vom Zweckverband Regio Freiburg (ZRF) bestellten, sogenannten Bestell-Fahrplan, aufweist), den sie selbst vorgeschlagen hat, auch wirklich garantieren. Sie muss mit mehr Transparenz als bisher Störungen aufklären und natürlich beheben.

4

Gleichzeitig muss die DB sofort verlässlich über Zugausfälle, Verspätungen, Anschlüsse, Alternativrouten usw. informieren. Und zwar am Bahnsteig, in allen Informationssystemen und in der Bahn selbst.

5

Für alle baulichen und technischen Maßnahmen, die nun kurzfristig zur Stabilisierung unternommen werden gilt, dass sie künftige Möglichkeiten, z.B. ein weiteres Gleis, erleichtern und nicht erschwert dürfen.

Wegen der z.T. nicht schnell lösbaren Probleme der BSB fordern wir, dass im Nahverkehrskonzept der Region Freiburg vorerst nicht die Bus-Verbindungen zu Gunsten der unstabil bestehenden S-Bahn-Verbindungen eingestellt werden.  

Wir fordern mittelfristige Verbesserungen

1

Wir fordern für die ersten Monate 2022 eine „Zukunftskonferenz BSB 2025“, in der Ausbauziele und -pläne des Zweckverbandes Regio-Nahverkehr Freiburg (ZRF) und des Verkehrsministeriums vorgestellt werden.

2

Mittelfristig braucht es zudem einen weitestgehend 2-gleisigen Ausbau des Schienennetzes der BSB. Dies kommt auch der versprochenen Direktverbindung zwischen Freiburg und Colmar zugute, die nach Meinung der Grünen bis 2026 betriebsfertig sein soll.

Appell an unsere grünen Abgeordneten in Land und Bund

Um diese Ziele zu erreichen, muss ihre Umsetzung sofort starten. Deswegen müssen die Planung, Finanzierung und Genehmigung einer durchgehenden Zweigleisigkeit zwischen Breisach und Himmelreich für den Beginn des Jahres 2022 jetzt eingeleitet werden.

Die Grünen ZRF-Mitglieder und die (Grünen) Landtagsabgeordneten der vier betroffenen Wahlkreise sollten bis spätestens Mitte 2022 Leitlinien entwickeln und entsprechende Planungen einfordern. Grüne Bundestagsabgeordnete müssen sich aus unserer Sicht aktiv für die notwendigen Weichenstellungen des Bundes einsetzen. Dies betrifft die Finanzierung des Ausbaus, ebenso wie sowie die Berechnungsgrundlagen für deren Wirtschaftlichkeitsnachweis.

Und natürlich braucht es eine enge Zusammenarbeit grüner Mandatsträger*innen auf allen Ebenen. Auch der Einsatz unserer Grünen Abgeordneten im EU-Parlament ist notwendig, um die direkte Bahnverbindung zwischen Freiburg und Colmar voranzubringen.

Langfristige Ziele (2025-2035)

1

Langfristig muss der regionale ÖV einschließlich der S-Bahn-Verbindungen großräumig ausgebaut werden, insbesondere auch als Alternative zu Straßenbauprojekten, z.B. B31 West neu.

2

Für die Entwicklung entsprechender Konzepte schlagen wir einen überregionalen Arbeitskreis aus den beteiligten Kreisverbänden vor. Dieser soll Ideen sammeln und bis Mitte 2022 erste Vorschläge liefern. Der AK Mobilität Freiburg & Region bietet seine Unterstützung an.

Aus Fehlern lernen: Deshalb Transparenz und öffentliche Diskussion

Wir möchten auch über politische Verantwortung sprechen:

1

Für Mandatsträger*innen und Öffentlichkeit müssen die Zuständigkeiten im ÖV transparent erklärt werden. Alle sollen wissen, wer für welche Leistung verantwortlich ist.

2

Die Gründe für die Kostensteigerungen der Ausbaustrecken S1/10 und S2 brauchen eine politische Diskussion und Aufarbeitung.

3

Baupläne und Fahrbarkeitspläne sollten aus unserer Sicht frühzeitig und als Grundlage für politische Entscheidungen auf ihre Machbarkeit geprüft werden. Ebenso die zu bestellenden Züge auf ihre Eignung.

4

Wir brauchen eine Aufarbeitung offensichtlicher Planungsmängel. So etwa zum Abbau von existierenden Ausweichgleisen und die Verbauung von Optionen für weitere Gleise.

Autor*innen: Raphael Buob, Monika Zimmermann

Raphael ist Lehrer, Zimmermeister, Hobbyimker und überzeugt von der BSB, daher steht er mit allen beteiligten Akteur*innen in Kontakt. Monika arbeitet als kommunale Nachhaltigkeitsexpertin und ist Co-Sprecherin des AK-Mobilität. Beiden ist es wichtig, dass die BSB ein zentraler Baustein für die regionale Verkehrswende wird und eine Alternative zum Ausbau der B31West neu und eines Stadttunnels darstellt.

Der AK Mobilität sammelt Beobachtungen, Einschätzungen und Vorschläge von Fahrgästen der BSB für die Fortschreibung seiner Stellungnahme. Diese gibt er weiter an ZRF und Verkehrsministerium. Die ausführliche Stellungnahme kann angefordert werden unter ak-mobilitaet@gruene-freiburg.de.

Verwandte Artikel