Die Bauwende und die Grauzone: Ressourcen- und Energieverbrauch beim Bauen reduzieren

Es braucht ein Regelwerk, um den Verbrauch an Baustoffen zu drosseln und den Einsatz klimafreundlicher Baumaterialien zu fördern. Das sagen Hermann Hallenberger und Hannes Fugmann vom AK Klimaschutz, die den Ressourcenverbrauch beim Bauen kritisch durchleuchten. Sie fordern, die „Graue Energie“ aus der Grauzone des öffentlichen Umweltbewusstseins in ein ordnungspolitisches Regelwerk zu überführen. Wie das gelingen könnte, erläutern sie hier.

Neben der Energiewende, der Agrarwende, der Finanzwende und der Mobilitätswende ist auch eine Bauwende dringend erforderlich. Denn die rote Linie für die Nutzung von Baustoffen wird immer deutlicher. CO2-Emmissionen in der Atmosphäre und die Ressourcenknappheit auf dem Planeten machen auch beim Bauen einen Wendepunkt notwendig: Es geht nicht mehr darum, zu bauen was technisch möglich ist! Es geht jetzt vielmehr darum, die Grenzen zu respektieren und verbindliche Regelungen für den Verbrauch zu vereinbaren.

Für effektiven Klimaschutz braucht es eine Bauwende

Freiburg ist schon seit mehr als 25 Jahren unterwegs zur klimaneutralen Stadt. Gebäude werden immer besser gedämmt, Sonne und Wind erzeugen erneuerbare Energie und es wird auf einen energiesparenden Betrieb geachtet. In Städten wie Freiburg wird immer flächensparender in die Höhe gebaut. Das ist grundsätzlich gut. Doch es gibt ein großes „graues“ Problem. Es ist so grau wie der Beton und so grau wie die „Grauzone“ im öffentlichen Bewusstsein.

Zu hoher Energieverbrauch beim Bauen

Bei einem zeitgemäßen Neubau im Energiestandard KfW55 entfällt auf den Betrieb des Gebäudes – also für Heizen, Strom und Warmwasser – etwa die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs (vgl. Abbildung 1, das Problem). Die andere Hälfte rührt aus der Herstellung der Baustoffe sowie der Erstellung und dem Rückbau der Gebäude. Ein Abriss bedeutet einen riesigen Berg von teilweise nicht wiederverwendbaren Ressourcen.

Kleine Randnotiz: Der Bausektor verursacht über die Hälfte der bundesweiten Abfälle. Insgesamt ist die Bau- und Gebäudewirtschaft für fast 40 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Bei der Herstellung von einer Tonne Zement entsteht ungefähr eine Tonne CO2. Quelle

Weltweit emittiert die Zementindustrie die zweieinhalbfache Menge an CO2 im Vergleich zur weltweiten Luftfahrt (vor Corona).

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Gleichzeitig ist der Bedarf an zusätzlichem Wohnraum enorm. In Freiburg und anderswo. Es herrscht also ein hoher Druck zu bauen.

„Ressourcenverbrauch minimieren und gleichzeitig Wohnungen bauen – beide Ziele miteinander zu vereinen ist eine echte Herausforderung. Umso mehr braucht es politische Regelungen und Leitplanken, die die Richtung der erforderlichen Innovationen vorgeben.“

CO2-Emissionen und Ressourcenverbrauch beim Bauen schnell berechnen

Wie kann man überhaupt den CO2 Fußabdruck von neuen Gebäuden berechnen und damit vergleichbar machen? Es gibt verschiedene Tools zur Ermittlung. Diese Tools nutzen Daten sämtlicher Baustoffe aus meist frei verfügbaren Datenbanken (z.B. Ökobaudat). Ökobilanz-Datensätze werden darin gesammelt, gepflegt und aktualisiert. Eines dieser Tools nutzt das sehr einfach einzusetzende Konzept „Faktor X“ für besonders klima- und ressourcenschonendes Bauen. Der ganzheitliche Ansatz des Konzepts ermöglicht eine ökologische Bewertung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, also der Baumaterialherstellung, dem Bauen und dem Energie- und Ressourcenverbrauch während der Nutzung (vgl Abbildung 1, Die Regelung).

Ziel ist dabei, die Ressourceneffizienz eines Gebäudes um den Faktor X zu erhöhen. Zum Beispiel um das Doppelte (Faktor 2) oder um das Vierfache (Faktor 4). Andere Tools wie ResScore arbeiten mit Zielwerten für Klimaschutz, Energieverbrauch und Materialeinsatz eines Gebäudes (vgl nachstehende Abbildung).

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Abbildung 1: Resourcen Bewertung durch Schlüsselkriterien (Quelle: ResScore)

Anders ausgedrückt:  Der Einsatz natürlicher Ressourcen lässt sich in einem frühen Stadium des Bauens mit einfachen Tools berechnen und mit Referenzgebäuden vergleichen oder mit Zielwerten abgleichen. Ressourcenintensive und klimaschädliche bauliche Maßnahmen werden so sichtbar und lassen sich anpassen.

Die Nutzung von regionalen Baustoffem, langlebige und wartungsfreundliche Gebäude und insbesondere der klimafreundliche Baustoff Holz sind mögliche Anpassungen.



Abbildung 2: Ein möglicher Weg zu klimafreundlichem Bauen

Holzbauweise in mehreren Geschossen – ist das möglich?

Wenn wir von mehrgeschossigen Holzbauten reden, stellt sich sofort für viele die Frage: ist das denn überhaupt machbar? Ja klar ist das machbar. Mehrgeschossige Häuser in Holzbauweise wurden bereits erfolgreich realisiert. Einige Kommunen sind hier beispielhaft vorangegangen.

So etwa München:

Im Prinz-Eugen-Park ist eine ökologische Mustersiedlung in Holzbauweise entstanden. Damit wollte München den modernen Holzbau etablieren und neue Maßstäbe im Bereich Klimaschutz und nachhaltige Stadtentwicklung setzen. Bis hin zu siebengeschossigen Häusern wurden dort aus Holz errichtet. Im Prinz-Eugen-Park ist die größte zusammenhängende Holzbausiedlung Deutschlands entstanden. Die Stadt hat dafür ein eigenes Förderprogramm ins Leben gerufen.

Oder Freiburg:

Hier wurde im Dezember 2020 das „Buggi 52“ fertiggestellt. Das achtgeschossige Haus aus FSC-zertifiziertem Holz in der Bugginger Straße ist zukunftsweisend und schreibt jetzt schon Nachhaltigkeits-Geschichte. Die Investitionskosten sind vergleichbar zu einem konventionellen Gebäude. Auch die Planungen im Freiburger Metzgergrün sehen Holzbauweise vor.

Klimafreundliche Holzbauweise und Ordnungspolitik

Holz ist geeignet Klimaschutz zu beschleunigen: Es verbraucht nicht nur in der Lieferkette weniger Energie, sondern speichert sogar CO2 und lagert es über Jahrhunderte in den Bauwerken ein. Der Holzbau in unserer Region befasst sich schon seit längerem mit nachhaltigen Strategien.

In Baden-Württemberg werden bereits jetzt ca. 35% der Wohneinheiten in klimafreundlicher Holzbauweise gefertigt.

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Um klimafreundliches Bauen mit Holz noch stärker zu forcieren, brauchen die Kommunen einen ordnungspolitischen Hebel. Über das Vergaberecht geschieht dies bereits in anderen Kommunen, mit Faktor X zum Beispiel in den Gemeinden Inden und Eschweiler.

Quelle

Wir sehen gute Chancen, dass die Stadt Freiburg bei künftigen Bauprojekten über solch einen ordnungspolitischen Hebel mehr Einfluss nehmen könnte. Freiburg kann z. B. auf Flächen, die ihr oder stadtnahen Gesellschaften gehören, privaten und öffentlichen Bauherren vorschreiben, klimafreundlich und ressourcensparsam zu bauen.

Die Diskussion darüber, wie und wann das passieren soll, wollen wir hiermit anregen. Den positiven Effekt können wir jetzt schon darstellen. Denn Freiburg hat zwar viel erreicht in Sachen CO2-Reduktion. So hat die Stadt in den letzten 30 Jahren rund 26.000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart. Aber die jährlichen Einsparungen müssen in Zukunft noch größer ausfallen, um das Pariser Klimaziel zu erreichen.

Der Bausektor kann wesentlich zu CO2-Reduktionen beitragen

Im Schnitt baut Freiburg ca. 1.000 Wohnungen pro Jahr. Achten wir bei den neuen Gebäuden konsequent auf klimaschonende Materialien und Bauweisen, so können wir die grauen Emissionen bei der Herstellungsphase von ca. 400 kg CO2 pro Quadratmeter Wohnfläche auf weniger als 150 kg CO2/m² reduzieren (vgl. Abbildung 1, die Lösung)! Das wäre eine Reduktion um fast Zweidrittel! Somit könnte Freiburg mehr als 19.000 Tonnen CO2 pro Jahr weniger emittieren. Ein großer Schritt für Freiburgs Klimaziele.

Fazit: Es braucht im Bausektor ein klimafreundliches Ordnungsrecht

Für uns ist klar: Es braucht ein Ordnungs- bzw. Vergaberecht, um klimafreundliches Bauen gezielt zu steuern. Es wird Aufgabe der kommenden Bundesregierung sein, ordnungsrechtliche Maßnahmen bundesweit zu installieren. Freiburg könnte dabei als Vorbild dienen und mögliche Wege sinnvoller Regeln jetzt schon beginnen aufzuzeigen. Einen Weg skizzieren wir in Abbildung 2 und stellen in den Raum: „Wir bauen auf Freiburger Flächen in 2025 klimaneutral.“ Zu ambitioniert für Freiburg? Vielleicht. Aber eine große Hilfe für die Bundesebene.



Abbildung 3: Vorschläge für Meilensteine zur Freiburger Klimaneutralität mit Fokus auf ordnungspolitischen Regeln für CO2-Emissionen beim Bauen

Wir präferieren eine bundesweite Gesetzgebung, um für alle Kommunen langfristig Leitplanken zu sichern. Durch eine zielstrebige Ordnungspolitik auf Bundesebene könnte man einen Hebel setzen. Auf diese Weise könnten wir auch unsere Freiburger Klimaziele schneller umsetzen.

Auf Bundesebene sollte zudem dringend das Gebäudeenergiegesetz überarbeitet werden.

CO2-Ausstoß und Ressourcenaufwand müssen über den gesamten Lebenszyklus dargestellt werden. Daten zu Grauer Energie und Kreislauffähigkeit sind Aspekte, die bei Förderungen, Kreditvergabe etc. berücksichtigt werden müssen. Für das Nachweisverfahren wünschen wir uns die Einführung eines CO2-Labels für Gebäude. Neubauflächen und Vergbabekriterien sollten an ein klimaneutrales Bauen gekoppelt werden.

Autoren:

Hermann Hallenberger und Hannes Fugmann, AK Klimaschutz der Freiburger Grünen.

Hermann Hallenberger, 71 Jahre, Zimmermeister, Gründer der Zimmerei Grünspecht eG
Hannes Fugmann, 36 Jahre, Ingenieur, Fraunhofer Institut für Energiesysteme

Filmclip Klaus Dosch, Geschäftsführer der Faktor X-Agentur


Die Faktor X-Agentur in Düren treibt seit einigen Jahren eine ganzheitliche Bauwende voran. Ihr Motor: Die Art zu Bauen muss sich grundlegend ändern, um die Klimaziele von Paris zu erreichen.

Geschäftsführer Klaus Dosch erklärte auf Einladung des Freiburger AK Klimaschutzes die Handlungsoptionen für ein nachhaltiges Bauen. Wir haben ihm drei Fragen (Minute 0, Minute 3:36 und Minute 5:03) gestellt. Seine Statements findet ihr hier in diesem Film.

Und wer noch mehr von Klaus Dosch sehen will kann auch hier rein schauen: Youtube Klaus Dorsch

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