Klimaschutz im Koalitionsvertrag: Wir sollten Kompromisse auch als Kompromisse benennen!

August 2021: Robert Habeck verkündet auf dem Platz der alten Synagoge vor tausenden Menschen, dass die nächsten Jahre die letzten Jahre seien, in der der Klimawandel noch begrenzen werden könne. Eine starke Aussage, die die Dramatik der Situation beschreibt. Eine Rhetorik, wie sie von Fridays For Future (FFF) und vielen Klima-Wissenschaftler*innen benutzt wird. Doch nur wenige Minuten später richten sich jene Klima-Aktivist*innen von FFF an Robert und betonen, dass noch nicht einmal das Grüne Wahlprogramm ausreichen werde, um auf den 1,5 Grad Pfad zu gelangen. Sie haben große Worte gehört und sind enttäuscht.

Auf der anderen Seite haben viele Wähler*innen immer nur auf die konkreten Maßnahmen und die kurzfristigen, negativen Auswirkungen auf ihr Leben geschaut. Die mutige Rhetorik stieß nicht auf Veränderungswillen. Viele waren nicht „bereit“.

Dilemma Klimapolitik: Wieviel können wir versprechen und wieviel können wir bewegen?

Wir befinden uns als Grüne Partei immer wieder in einem Dilemma zwischen hohen Erwartungen, die an uns gestellt werden, und Ängsten vor jedem noch so kleinen Programmpunkt, der unbequem werden könnte. Wir haben beide Seiten unserer Wähler*innenschaft nicht zufriedengestellt. Die Kommunikation unseres Wahlprogramms mit der Unterscheidung zwischen Ziel und Handlungsmöglichkeit ist uns aus meiner Sicht nicht ausreichend gelungen.

Eine neue Herausforderung in der Kommunikation stellt nun der Koalitionsvertrag dar. Auf dem Landesparteitag und auch immer wieder in Gesprächen habe ich Sätze gehört wie etwa: „Der Koalitionsvertrag ist genau der Schritt, den wir brauchen, um die Klimakrise zu bekämpfen!“. Damit wird impliziert, dass der Koalitionsvertrag das richtige Tempo und die Wege einleitet, um die Krise zu bewältigen. Und schon wieder kommen wir in die Versuchung, zu viel zu versprechen und zu wenig zu bewegen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) analysierte in einer kürzlich veröffentlichten Studie die Auswirkungen der Ziele und Maßnahmen des Koalitionsvertrages. Danach wird der Vertrag das 1,5 Grad-Ziel sowie die eigenen Ziele im Bundesklimaschutzgesetz verfehlen. Die Kritik von FFF kam prompt. Am zweiten Dezember postete Fridays For Future Deutschland ein Ranking der „Top-Versäumnisse“ der Klimapolitik. Sprecherin Carla Reemtsma sagte dem Onlinemagazin Watson, es sei ein Skandal, dass der Vertrag nicht 1,5 Grad-konform sei.

Fridays for Future begleitet grüne Klimapolitik kritisch

Wir müssen uns im Klaren seien: Jetzt ist es unsere Partei, der FFF kritisch auf die Finger schaut. Es kostet Vertrauen, einen Plan als 1,5 Grad-konform zu beschreiben, der nachweisbar nicht die nötigen Maßnahmen ergreift. Dabei ist es gar nicht erforderlich, den Koalitionsvertrag um jeden Preis als Erfüllung unserer Versprechen zu loben. Denn, wir haben den Kompromiss zwischen Notwendigem und Möglichem längst in unserem Wahlprogramm ausgehandelt. Dort wurden Konzepte zu CO2-Reduzierung und dem Umbau verschiedener Sektoren verabschiedet. Dort wurde darauf geachtet, unser Programm für die Menschen wählbar zu machen. Dort wurden auch „härtere“ Maßnahmen, wie ein noch höherer CO2-Preis als gesellschaftlich unverträglich abgelehnt. Das Wahlprogramm ist unser Kompromiss zwischen Möglichem und Nötigem. Das Programm, nicht der Koalitionsvertrag, ist das Maß und die Richtschnur – oder wie es Omid Nouripour vor kurzem bei Tina Hassel im „Bericht aus Berlin“ klarstellte: „Grundlage (…) ist das Parteiprogramm“. Nicht mehr und nicht weniger.

Es braucht eine ehrliche Kommunikation

Es wurde verhandelt und es werden Forderungen umgesetzt. Viele unserer Konzepte werden in den nächsten Jahren verwirklicht werden können. Es muss nichts gepriesen werden, was nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Lasst uns in der Kommunikation klar und ehrlich sein: Kompromisse sind Kompromisse. Hier müssen wir Farbe bekennen.

Autor: Lasse Brauer

Lasse ist seit Dezember 2020 Sprecher der Grünen Jugend Freiburg. Zuvor hatte er die GJ im Ring politischer Jugend vertreten. Er studiert zurzeit im fünften Semester Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre (VWL) an der Uni Freiburg.

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