Sprechblase gelb

Sag’s den Grünen: Für die Transformation braucht es eine Umverteilung

Liebe Grüne,

Wir sind es von klein auf gewöhnt alle Dinge mit einem Preis zu versehen. Über den Preis meint man ein Instrument in der Hand zu haben, mit dem man regulieren und eingreifen kann. Das Umweltministerium der vorigen Regierung hatte den Preis auf rund 200 Euro pro Tonne veranschlagt. Und würde man den Zeitfaktor herausnehmen, also die tatsächlichen Kosten von heute veranschlagen, dann müsste man rund 700 Euro verlangen.

Wir alle wissen: Keine noch so guten Verhandler*innen können diesen Preis politisch durchsetzen. Nur noch ganz Reiche könnten mit dem Auto fahren und kalt Duschen ist auch nicht jedermanns, jedersfrau Sache.

In dem spannenden Vorbericht in der SZ vom 08.11.21 über den Fernsehfilm „Oeconomia“ im 3 SAT gibt die Journalistin Carmen Losmann auf die Frage der nächsten „notwendigen Schritte“ die einfache Empfehlung, man müsste demnächst die Finanzmärkte schließen und das gesamte Kreditsystem ändern, um die treibende Kraft in unserem System herauszunehmen. Hier der Link zu dieser spannenden Sendung:

https://www.3sat.de/film/dokumentarfilmzeit/oeconomia-100.html

Damit ist keine Realpolitik zu machen, aber nur eine kreditfinanzierte Transformation ist sicher keine Lösung. Ohne eine Umverteilungskomponente – das meint, Reiche zu besteuern – wird es nicht gehen. Aber der Focus sollte von der rein monetären Sichtweise auf eine physikalische Sichtweise umgestellt werden. Der von den alten Politikern viel gerühmte Kohlekompromiss wurde schlicht mit viel Steuergeld erkauft, nicht durch „sachlich-technische“ Begründungen. Wir haben schlicht keine Zeit mehr, um den Prozess der Umsteuerung über Angebot und Nachfrage zu lösen, also rein auf die Marktwirtschaft zu setzen.

Mariana Mazzucato vergleicht diese gewaltige Aufgabe der Transformation mit der gemeinsamen Anstrengung in den 1960iger Jahren, die Menschheit auf den Mond zu schicken. Das Buch „Mission – Auf dem Weg zu einer neuen Wirtschaft“ kann ich sehr empfehlen. In seinem klugen Nachwort zur Neuauflage des Buches von Hans Jonas „Das Prinzip Verantwortung“ nimmt Robert Habeck die grundsätzliche Kritik am Technischen Fortschritt von Heidegger und Jonas auf und stellt sie ins Zentrum der aktuellen politischen Debatte. Robert Habeck hat hier in Freiburg Philosophie studiert. Dabei stellt er die Frage, für wen schützen wir das Klima? Schützt man die Natur um ihrer selbst willen oder damit die Menschen weiter in Würde und Freiheit leben können? Er vermutet, dass mit der entgegengesetzten Position von Jonas, der der „Natur“ einen Vorrang einräumt, einem totalitären Denken Tür und Tor geöffnet wird. Habeck zieht bei Jonas Notstandsethik, die auch vor keiner „guten Diktatur“ zurückschreckt, die Rote Karte. Jonas fordere Konsum-und Wohlstandsverzicht, „freiwillig, wenn möglich, erzwungen wenn nötig“.

Wenn an dieser Stelle Robert Habeck den Gegensatz von Wettbewerbs-Regulation und Verboten aufmacht, dann sollten wir hier unbedingt weiter diskutieren.

Joerg Partsch                                                                                             

73 Jahre alt und Elektro-Ingenieur. Er war Betriebsrat bei auma-Riester GmbH in Müllheim. Joerg ist seit 1985 Mitglied bei den Grünen und war in verschiedenen Arbeitskreisen aktiv, so etwa im Arbeitskreis Wiso/Wirtschaft und Soziales.  

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