Sprechblase gelb

Sag’s den Grünen: Denkt an die Unternehmer*innen

Bitte weniger Bürokratie und dafür mehr Lohn- und Steuergerechtigkeit und Tierwohl

Liebe Grüne,

als Unternehmerin in der Gastronomie bin ich tagtäglich mit einem großen bürokratischen Aufwand und großem Haftungsrisiko konfrontiert. Dabei will ich eigentlich nur allen Menschen ein leckeres und bezahlbares Essen bieten, das mit nachhaltig erzeugten Zutaten aus der Region gekocht wird und von Erzeugern stammt, die ich persönlich kenne und denen ich vertraue.

Mein Wunsch an grüne Politik und Politik überhaupt: Bezieht bei euren Überlegungen und Entscheidungen die Perspektive von kleineren und mittleren Unternehmen und Selbständigen mit ein, denn diese stellen die meisten Arbeitsplätze zur Verfügung. Ich wünsche mir, dass über die Konsequenzen vieler Regelungen und Gesetze vorher stärker nachgedacht wird.

In einigen Bereichen möchte ich gerne mehr grüne Radikalität: Ein Verbot von Billigflügen zum Schutz des Klimas etwa scheint mir sinnvoll und überfällig. Mehr Tierrechte gesetzlich verankern ebenfalls. Wir Menschen sind nicht das Maß aller Dinge. Gegen das Tierleid – ich denke an Massentierhaltung und weltweite qualvolle Transporte – sollte politisch wirksam vorgegangen werden.

Steuergerechtigkeit

Was die Umsatzsteuer für Essen betrifft, so ist zum Beispiel abgepacktes Essen im Supermarkt mit 7% Umsatzsteuer belastet, im Restaurant hingegen mit 19 %. Allein schon durch die Umsatzsteuer entstehen in Restaurants und Kneipen etc. höhere Preise. Aber die Gastro gehört mittlerweile – spätestens seit Corona – zur Standardversorgung. Man sollte hier aus meiner Sicht bei 7% bleiben. Denn Essen gehen ist heutzutage kein Luxus mehr, sondern Grundversorgung. Übrigens sind Imbissstände mit nur 7% besteuert. Haben aber deutlich weniger Personalkosten. Bei der Gastro lagen die Personalkosten früher bei 30% des Umsatzes. Heute liegen sie zwischen 40% und 60%.

Ich finde, die Umsatzsteuer sollte mehr ins öffentliche Bewusstsein der Konsumenten rücken und öffentlich stärker debattiert werden. In Österreich zum Beispiel werden die Preise ohne Umsatzsteuer ausgewiesen, diese werden am Ende aber mitberechnet, sodass der Kunde sofort versteht, dass dieser Teil direkt an den Staat geht zur Finanzierung des öffentlichen Haushaltes.

Lohngerechtigkeit

Der Mindestlohn wird erhöht auf 12 Euro brutto die Stunde. Das hat auch für die Gastro erhebliche Konsequenzen. In der Gastro sind viele auf Minijob-Basis angestellt. Sie kommen netto auf einen höheren Stundensatz, da netto gleich brutto ist. Dies kann zu Ungerechtigkeiten innerhalb des Systems führen. Für den Mitarbeiter ist zum Schluss nur interessant, was netto übrig bleibt.  Aus meiner Sicht sollte es für alle nur sozialversicherungspflichtige Jobs geben – mit einem Freibetrag und niedrigen Umlagen im unteren Bereich. Das wäre gerechter und sicherer für alle.

Bürokratische Regeln

Viele Regelwerke zielen darauf ab, die Sicherheit zu erhöhen und sind im Kern gut gemeint. So sind aber oft Bürokratiemonster entstanden, die Motivation und Leistungsbereitschaft eher lahmlegen, vor allem für kleinere Unternehmen. Ich kann das sehr gut beurteilen, weil ich diesen Prozess seit 28 Jahren mit mache. Große Unternehmen können es sich z.B. leisten, Fachpersonal einzustellen, besonders wenn sie mehrere Niederlassungen haben. Die Geschäftsführer*innen von kleineren Betrieben müssen das zusätzlich selbst wuppen und zum Beispiel 500 Seiten „Gefährdungsbeurteilung im Betrieb“ selber lesen, verstehen und umsetzen. Insofern fände ich es gut, wenn alle Berufspolitiker*innen für eine gewisse Zeit ein Praktikum in verschiedenen Betrieben machen würden, um die Auswirkungen der „Bürokratiemonster“ im Alltag der Unternehmen nachvollziehen zu können.

Weiteres Beispiel: Die Haftungsrisiken für Handwerker*innen oder Gastronom*innen sind immer mehr gestiegen. Klettert ein engagierter Mitarbeiter, trotz vorhandener Leiter, etwa auf einen Stuhl, um eine Birne zu wechseln, und verliert das Gleichgewicht und stürzt dabei, so habe ich als Chefin sofort ein Haftungsproblem. Schiebt sich ein Mitarbeiter unter einen Schrank, um etwas hervorzuholen, und verletzt sich dabei, so habe ich als Chefin ebenfalls sofort ein Haftungsproblem. Verletzt sich ein Mitarbeiter – bricht sich etwa die Schulter beim Sturz – so muss ich als Chefin mit juristischen Konsequenzen rechnen.

Weiteres Beispiel: Stelle ich einen Mitarbeitenden aus einem Nicht-EU-Land ein, habe ich einen unglaublichen Behördenmarathon und renne von Pontius zu Pilatus bzw. gegen eine Wand. Und zum Schluss erfahre ich nach all dieser Odysee, dass ich diese Person nicht einstellen darf. Oder sie wird abgeschoben.

Als Geschäftsführerin eines Restaurants bin ich zugleich auch:

  • Sicherheitsbeauftragte
  • Erste Hilfe Beauftragte
  • Datenschutzbeauftragte
  • Buchhalterin
  • Personalerin
  • Beraterin für die Altersvorsorge
  • Und noch vieles mehr …

Ich habe mit diesen wenigen Beispielen versucht aufzuzeigen, dass das Dasein als Unternehmer*in mit Herausforderungen und Risiken behaftet ist. Deshalb wünsche ich mir von einer neuen Regierung unter grüner Beteiligung: Mehr Einsicht in die unternehmerische Welt, besonders in die Welt der kleinen und mittleren, mittelständisch geprägten Unternehmen. Außerdem mehr Freiheiten als Arbeitgeberin und ein klein wenig Wertschätzung für das kontinuierliche Erwirtschaften von Steuergeldern. 

Bettina Bachmann

ist Gründerin und Chefin eines Freiburger Restaurants, das vorzugsweise auf vegetarische, vegane und glutenfreie Speisen setzt.

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