Wo sind die Frauen?

Ein gedanklicher Spaziergang durch Freiburg

„Ein Spaziergang durch die Stadt. Ich spaziere und lese. Denn Straßen haben Namen, so wie ich auch. Doch was unterscheidet mich von den Straßen? Mein Name ist nicht männlich. Ich bin nicht berühmt und ich habe auch noch nichts Bedeutendes geschaffen.

Ich spaziere also und lese. Ich lese von Politikern, ich lese von Bürgermeistern, von Forschern und Künstlern… Außerdem lese ich noch von Bäumen, von anderen Städten, von Tieren oder wichtigen Gebäuden. Aber wovon lese ich nichts?

Von Frauen. Frauen, wie ich eine bin. Wo sind die Frauen? Was tun sie in ihrem Leben, dass sie keine Berechtigung auf eine Straße haben, die denselben Namen trägt? Wo sind die Frauen?

Ich spaziere und wundere mich. Ich akzeptiere schon fast die Tatsache, dass Frauen nun mal keine bedeutenden Persönlichkeiten sind; dass Frauen keine großen Politikerinnen, Bürgermeisterinnen, Forscherinnen oder Künstlerinnen sein können. Denn offensichtlich gibt es keine Straßen mit ihren Namen.

Wo sind die Frauen?

Ich spaziere weiter, ich bin wütend. Und enttäuscht. Was ist, wenn ich eine bedeutende Frau werde? Was ist, wenn ich die größte Entdeckung der Menschheit machen würde? Würde sich dann ein Entscheider in einem Amt dazu durchringen, mir einen Straßennamen zu geben? Vielleicht für einen kleinen Weg? Oder höchstens eine Sackgasse? Vielleicht würde er das tun.

Wo sind die Frauen???

Die Zeit vergeht. Es gibt nun Straßennamen mit Frauen. Es sind zu wenige. Es sind Straßen in Neubaugebieten, nicht im Zentrum. Es werden Schilder darunter gehängt, die erklären, wer diese Frauen waren. Denn jede*r weiß, wer Schiller war. Aber kaum jemand, wer Adelheid Steinmann war.

Ich spaziere und lese wieder. Frauennamen. Ich lächle. Wir sind 50%. Zwar noch nicht 50% der Straßen, aber wir arbeiten daran.“

Inspiriert von Julia Oexles spazierenden Gedanken möchten wir als Arbeitskreis Frauen- und Geschlechterpolitik im Kreisverband Freiburg von Bündnis 90 / Die Grünen alle Freiburger*innen dazu einladen, anlässlich des Weltfrauentags die Straßen in ihrer Umgebung zu erkunden: Welche Frauen tauchen in euren Stadtteilen auf? Welche Gedanken habt ihr dazu? Welche Geschichten müssten noch viel sichtbarer erzählt werden?

Posaunt sie heraus in eure analogen und digitalen Netzwerke (#geballterFeminismus) und schickt gerne eure Bilder und Texte an unseren Arbeitskreis: ak-frauen@gruene-freiburg.de

Wir möchten viele erzählenswerte Geschichten sammeln und daraus eine Serie für unser online Mitgliedermagazin Grün in Freiburg basteln.

Seid ihr mit dabei?

Cornelia Schlosser war eine deutsche Briefautorin.

Bereits mit drei Jahren lernte sie Lesen und Schreiben. Später erhält sie eine umfassende Bildung in Griechisch, Latein, Französisch Englisch, Italienisch, Mathematik, Jura, Geografie, Schönschreiben, Zeichnen, Musik, Fechten, Reiten, Anstandslehre und Tanz. Im Gegensatz zu ihrem Bruder Johann Wolfgang von Goethe durfte sie anschließend jedoch nicht studieren.

In ihrer Ehe in der damaligen Kleinstadt Emmendingen vereinsamte die junge Frau und starb 1777 bereits im Alter von 26 Jahren.

Wer war Anna Müller? Auf wen geht die Namensgebung der Straße im Rieselfeld zurück?

Die Daten hierzu sind rar. Anna Müller rettete 1848 den badischen Revolutionär Franz Sigl in Freiburg vor seinen Verfolgern.

Elisabeth Selbert, war eine deutsche Politikerin und Juristin.

Als zweifache Mutter holte sie mit 29 Jahren das Abitur, das ihr als Mädchen aus finanziellen Gründen versagt war, nach. Sie studierte anschließend Rechts- und Staatswissenschaften.

Die SPDlerin ist eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“ (im Gegensatz zu 61 Vätern), die 1948/49 an der Neufassung des Grundgesetzes mitwirkten. Die Aufnahme der Gleichberechtigung in den Artikel 3 unseres deutschen Grundgesetzes verdanken wir in großen Teilen ihr.

Dr. Erika Sinauer, geboren in Freiburg, war eine deutsche Juristin und Rechtshistorikerin.

Sie studierte an der Albert-Ludwigs-Universität Jura und absolvierte auch ihr Referendariat in Freiburg. Nach ihrer Promotion übernahm sie die Kanzlei ihres verstorbenen Vaters.

1933 erhielt sie aufgrund „nicht arischer Herkunft“ Berufsverbot.

Am 22. Oktober 1940 wurde sie in das KZ Gurs deportiert. Am 2. September 1942 wurde Erika Sinauer weiter in das KZ Auschwitz deportiert und vermutlich sofort nach der Ankunft, 46 Jahre alt, ermordet.

Emma Winterhalder wurde 1850 geboren. Von 1882 bis 1934, also insgesamt 52 Jahre lang, war sie Vorsitzende des Frauenvereins in Neustadt. In dieser Zeit gründete sie den ersten Kindergarten und gab später den Anstoß für den Bau des Kindergartens St. Elisabeth, der bis heute vom Frauenverein getragen wird.

Nach einem langen und ereignisreichen Leben starb Emma Winterhalder im Jahr 1944.Sie hat in Neustadt viel bewegt und wurde wird zur Patin der ersten Straße im Neubaugebiet An der Fehrn.

Unsere Stadträtin und Landtagskandidatin von Freiburg West, Nadyne Saint-Cast, hat sich zum Internationalen Tag der Frau einen besonderen Frauen-Straßennamen ausgesucht: die Astrid-Lindgren-Straße im Freiburger Stadtteil Rieselfeld.

Sie sagt: „Astrid Lindgren war und ist meine Lieblings-Kinderbuchautorin. Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter und Lotta sind starke Mädchen mit einem eigenen Kopf. Das hat mich schon in meiner Kindheit beeindruckt. Heute lese ich die Bücher meinen Söhnen vor, für die starke Frauen ganz selbstverständlich sind ;-)“

Ohne Lina Hähnle wäre der NABU nicht denkbar. Sie gründete 1899 den Bund für Vogelschutz und führte ihn fast 40 Jahre als Vorsitzende. Daher rührt ihr Spitzname „Deutsche Vogelmutter“. Aus dem Vogelschutzbund ging später der NABU hervor.

Der Fraktionssaal der Grünen im württembergischen Landtag trägt ihren Namen.

Lina Hähnle starb 1941, kurz vor ihrem 90. Geburtstag.

Johanna Kohlund, 1878 in Freiburg geboren, war eine Lehrerin und Vorkämpferin für bessere Bildungschancen von jungen Mädchen und Frauen. Die Gymnasialprofessorin Johanna Kohlund ermutigte im frühen 20. Jahrhundert Frauen dazu, sich für ihre Interessen und das neu errungene Wahlrecht einzusetzen. Sie initiierte den Deutschen Akademikerinnenbund und gründete nach dem Zweiten Weltkrieg den Deutschen Frauenring in Freiburg. Johanna Kohlund starb 1968 in Freiburg.

Adelheid Steinmann setzte 1900 das allgemeine Frauenstudium in Baden, als erstem Land im Deutschen Reich, durch. Bis dahin konnten Frauen in Deutschland nur mit Sondergenehmigung unter der „Beaufsichtigung“ des Ehemannes studieren. Die Frauenrechtlerin und Bildungspolitikerin lebte zeitweise in Freiburg. In Bonn gehörte Steinmann zu den ersten weiblichen Stadtverordneten Deutschlands. Sie starb 1925 in Bonn.

Zita Motz heiratete im Jahre 1953 Ernst Kaiser, der in Freiburg ein „Spezialhaus für Herrenbekleidung“ gegründet hatte. Er schenkte ihr zur Hochzeit eine kleine „Damenabteilung“. Dies war der Start einer Erfolgsgeschichte. Zita Kaiser führte die Kaiser Modehäuser über mehr als ein halbes Jahrhundert. Sie war Geschäftsfrau mit großem Herzen, fürsorgliche Chefin und großzügige Mäzenin und wurde u.a. mit der Gertrud-Luckner-Medaille der Stadt Freiburg ausgezeichnet. Zita Kaiser begrüßte bis ins hohe Alter täglich Ihre Kund*innen am Eingang des Kaiser Damenhauses. Sie verstarb 2011. Im Münster verabschiedeten sich über 1.000 Trauergäste von ihr. Das Café ZITA erinnert im 1. Obergeschoss des Modehauses an die bis heute dort hoch verehrte Chefin

Elisabeth Ruckmich, (1901 – 1998) prägte die Musiklandschaft Freiburgs maßgeblich.
Sie führte nach dem Tod ihres Vaters und später zusammen mit ihrem Ehemann Paul Geissler das Musikhaus Ruckmich. Das Haus wurde zu einem wichtigen kulturellen Ort mit musikalischen Vorträgen, Konzerten und Ausstellungen. Elisabeth Geissler-Ruckmich rief zusammen mit Prof. Vitaly Margulis die „Russische Schule“ für Pianist*innen ins Leben, die noch heute als „Internationale Klavier Akademie Freiburg“ fortbesteht.

Es ist leider sehr wenig übermittelt zu Else Schmid. Sie heiratete 1510 den Bauernführer Jos Fritz. Dieser gilt als einer der Initiatoren der Bundschuh-Bewegung aus aufständischen Bauern im Südwesten Deutschlands, die sich gegen die Unterdrückung und Ausbeutung durch Fürsten und Geistlichkeit richtete. Auch Else Schmid wurde in Haft genommen und kam im Oktober 1513 wieder frei. Man vermutet, dass Jos Fritz seine Else mehrmals besuchte, obwohl er sich auf der Flucht vor Kaiser Maximilian I., dem Markgrafen von Baden und dem Rat der Stadt Baden befand.

Louise Otto-Peters gilt als Initiatorin der ersten deutschen Frauenbewegung und prägte diese wie keine andere zwischen 1865 und 1895. Sie stammte aus einem bürgerlich liberalen Elternhaus. Die politischen Ereignisse in Deutschland ab 1830 – zunehmende Armut der Bevölkerung, politische Zensur, Verhaftungen – brachten sie dazu, sich gesellschaftlich einzumischen. In ihrem Gedicht „Die Klöpplerinnen“ berichtete sie über die armseligen Arbeitsbedingungen der Heimarbeiterinnen im Erzgebirge. Luise Otto-Peters kämpfte für das Recht der Frauen auf Bildung und Arbeit.

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