Sprechblase gelb

Sag´s den Grünen: Woher nimmt der Staat das Geld?

Die Grünen, die schwarze Null und die Schuldenbremse

Liebe Grüne,

reden wir erst einmal über die CDU. Helge Braun, Chef des Bundeskanzleramts, hatte Ende Januar dafür geworben, die Schuldenbremse für ein paar Jahre auszusetzen. Dieser von Realitätssinn zeugende Vorschlag löste innerhalb der CDU eine Empörung aus. Braun musste zurückrudern und auf Twitter ließ er wissen, dass er die Schuldenbremse „liebe“. Gehört die schwarze Null heute zum Markenkern der CDU, den sie auf keinen Fall aufgeben darf, weil sonst nicht viel übrig bleibt? Es sieht so aus.

CDU und DIE GRÜNEN werden im Herbst dieses Jahres wahrscheinlich eine neue Regierungskoalition für den Bund bilden. Dazu geben sich DIE GRÜNEN anscheinend ein solides Outfit. Das ist eine kluge Strategie, wenn man mitregieren will. Und das sollen DIE GRÜNEN doch bitte.

Falsch verstandene finanzielle Stabilität

Im Grundsatzprogramm der GRÜNEN heißt es: „Langfristige Schuldentragfähigkeit ist (…) stets zu gewährleisten und gerade mit Blick auf die Handlungsspielräume künftiger Generationen gesetzlich zu verankern.“ Oder: „Wir stehen zu langfristig nachhaltigen Staatsfinanzen und zu gesetzlichen Regeln für die Begrenzung der Kreditaufnahme.“ Hoffentlich zielen diese Bekenntnisse nur auf eine Beruhigung der CDU und der (oft grünen) Mitte der Gesellschaft. Oder ist es mehr als Strategie und ist ehrliches Streben nach falsch verstandener finanzieller Stabilität inzwischen auch bei den GRÜNEN Zuhause? Die Aussagen sind problematisch und beruhen auf falschen theoretischen Annahmen.

Selbst in konservativen Zeitungen wird inzwischen daran gezweifelt, dass unsere Schulden von heute die Belastung zukünftiger Generationen sind. Das übliche Argument ist dann, dass ja nicht nur die Schulden, sondern auch die Forderungen gegen den Staat (Staatsanleihen o.ä.) vererbt werden. Das Argument ignoriert freilich, dass wir uns dann zwar nicht mehr über Generationengerechtigkeit, dafür aber über Verteilungsgerechtigkeit unterhalten müssen. Sind diese Schuldtitel doch in der Regel in der Hand der Vermögenderen.

Steuern haben eine Lenkungs- und keine Finanzierungsfunktion

Entscheidend ist ein anderer Punkt. Auch wenn es anders erscheint: Die einzige Finanzierungsquelle eines modernen Staates ist seine Noten- oder Zentralbank (es sei denn, er macht den Fehler und verschuldet sich in einer fremden Währung; für Entwicklungsländer leider oft eine Notwendigkeit). Diese Notenbanken können Euros (EZB) oder Dollars (FED) oder Yen (Bank of Japan) in beliebiger Menge generieren.

Wenn Banken (Geschäftsbanken, Sparkassen, Volksbanken) dem Staat einen Kredit gewähren, dann können sie das nur, weil ihnen vorher die Zentralbank das Geld dafür gegeben hatte. Steuern können wir nur bezahlen, weil der Staat vorher sein Geld über die Zentralbank ins Geldsystem eingespeist hatte. Steuern haben für einen modernen Staat eine Lenkungs-, aber keine Finanzierungsfunktion.

Das Geld für den Staat kommt immer von der Zentralbank

Die ganz einfache Botschaft ist: Ein Staat wird immer über seine Zentralbank finanziert. Diese einfache Botschaft muss man erst einmal sacken lassen. Ob es trotzdem sinnvoll sein kann, dass Banken oder Privatpersonen dem Staat Geld geben; wie es sich genau mit den Steuern verhält; welche Rolle die Banken und ihr eigenes Geldschöpfungspotential spielen – das können wir hier außen vor lassen. Entscheidend ist die simple Message: Das Geld für den Staat kommt immer von der Zentralbank. Die daraus folgende Konsequenz hat der frühere US-Notenbank-Chef Alan Greenspan 2005 in einem Satz zusammengefasst: „Es gibt nichts, das die Regierung daran hindern würde, soviel Geld zu schöpfen, wie sie möchte.“

In Kanada ist es eine lange Tradition, dass die Zentralbank dem Staat direkt Geld ohne Einschaltung von Banken „leiht“. In Kanada werden so 15 Prozent der Staatsschulden finanziert. Die von den Kritikern dieser sogenannten „monetären Staatsfinanzierung“ befürchtete Zunahme der Inflation hat sich in Kanada nicht eingestellt.

Eine Zentralbank braucht keine Kreditrückzahlung des Staates

In EUROpa geht die EZB einen kleinen Umweg: Die Banken geben dem Staat erst Geld (das sie vorher von der EZB bekamen) gegen Staatsanleihen, und wenn die EZB den Banken attraktive Konditionen bietet, verkaufen sie die Staatsanleihen an die EZB. Das geschieht in großem Stile. Das nicht so leicht zu Fassende ist, dass Geld, das die Zentralbank dem Staat gegeben hat, nie an sie zurückgezahlt werden muss. Eine Zentralbank kann ihre eigene Währung immer wieder neu schöpfen. Sie braucht keine Kreditrückzahlung des Staates. Der Mythos, dass diese Schulden an die EZB zurückgezahlt werden müssen, wird aber von Ökonomen aufrechterhalten – vermutlich will man dem Volke die Wahrheit nicht sagen, damit es nicht übermütig wird. Ob Schulden vom Staat zurückgezahlt werden oder prolongiert werden oder einfach von der Zentralbank verschluckt werden, ist eine Frage der Steuerung der Wirtschaft. Es hat nichts mit einer „Schuldentragfähigkeit“ zu tun.

Was machen wir mit dem Wissen, dass ein moderner Staat immer über seine Zentralbank finanziert werden kann, er also keinen finanziellen Restriktionen unterliegt. Ist damit das Paradies auf Erden erreicht? So einfach ist es nicht.

Ressourcenanalyse und klare Signale

Heute sagt der Finanzminister seinen Kollegen, wieviel Geld er zur Verfügung hat. Würde man den Aberglauben, dass Staaten nur begrenzt Geld haben, abstreifen, müsste man anders vorgehen: Neben der Bedarfsanalyse würde eine Ressourcenanalyse stattfinden. Wenn der Staat zum Beispiel erkennt, dass er die Schulen im großen Stil renovieren oder Brücken erneuern muss, dann kann er dies nur umsetzen, wenn es genug Baufirmen mit freien Kapazitäten gibt. Ist dies nicht der Fall, muss der Staat durch klare Signale an die Bauindustrie und durch seine Aufträge den dauerhaften Aufbau von Kapazitäten fördern, ansonsten hätten wir die gefürchtete Inflation, weil zu viel Nachfrage auf zu wenig Angebot treffen würde.

Eine solche Ressourcenanalyse und der systematische Abgleich von staatlichem Bedarf (dazu gehören auch Sozialleistungen) und vorhandenen Produktionskapazitäten wäre ein wichtiger Baustein, eventuell ergänzt um eine im Grundgesetz verankerte Inflationsgrenze statt der Schuldenbremse. Wie dies umzusetzen ist und welche staatlichen Institutionen man dafür bräuchte, wäre eine zeitgemäße Fragestellung. Es wäre mit Sicherheit kein Hexenwerk.

Europa braucht eine Koordination der Lohnentwicklung

Und Europa? Ist im Euroraum alles gut, wenn die EZB den Staaten unbegrenzt mit Geld zur Seite stehen darf? Das Misstrauen der Staaten untereinander wird immer Regeln erfordern. Neben der oben beschriebenen nationalen Inflationskontrolle bräuchte man insbesondere Regeln, die sicherstellen, dass die Leistungsbilanzen zwischen den Ländern weitgehend ausgeglichen sind. Hier liegt der Hund begraben, denn das erfordert eine Koordination der Lohnentwicklung. Findet man keine Lösung, ist der Euro gescheitert.

Mein Wunsch an die Grünen

Wir werden nicht so schnell in EUROpa grundsätzlich die Finanzierung von Staaten ändern. Das ist ein langfristiges Projekt. DIE GRÜNEN sollten sich mit dem Thema aber sachgerecht beschäftigen. Sie könnten Demokratiegeschichte schreiben, wenn sie dem finanziell unabhängigen Staat zu seinem Recht verhülfen. Ein konkreter Vorschlag für die aktuelle Situation wäre, dass die in der Höhe zu definierenden „Coronaschulden“ der europäischen Staaten einfach von der EZB geschluckt werden. Das tut niemandem weh und führt garantiert nicht zur Inflation und belastet auch keine kommenden Generationen. Alles andere ist Murks.

Heinrich Röder

wählt DIE GRÜNEN, seitdem es sie gibt. Er verdient sein Geld mit den Erneuerbaren Energien. 2018 hat er die Freiburger Diskurse mitinitiiert. Ihr Ziel ist ökonomische Aufklärung (zurzeit über Webinare), die der Verein für eine wichtige Grundlage einer funktionierenden Demokratie hält (www.freiburger-diskurse.de).

Wer den Austausch mit dem Autor sucht: roeder@freiburger-diskurse.de

Übrigens: am 22. April findet ein Webinar zu Finanzen und Kommunalpolitik statt.

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