Klima-Bürger*innenrat Freiburg – die Klimawende von unten

Die Arbeit hat viele aufgerüttelt: Über 90 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus Freiburg und Umgebung haben sich als Klima-Bürger*innenrat im Sommer 2022 zusammengesetzt und intensiv diskutiert, wie sich die Region zukünftig komplett mit Erneuerbaren Energien versorgen lässt. Bedeutsam: Es war bundesweit der allererste Bürger*innenrat, der interkommunal ausgerichtet war! Das Ergebnis: 48 Handlungsempfehlungen an die Kommunen rund um Windkraft, Solaranlagen, Wasserkraft, Erdwärme und Energieeinsparung. Wie geht es weiter? Wie lässt sich der erfolgreiche Prozess nun umsetzen und noch stärker in die Bevölkerung tragen?

Die Beteiligten kamen aus 15 Umlandgemeinden und aus der Stadt Freiburg. Mit dem Bürgerrat ist es gelungen, ganz neue Zielgruppen zu erreichen. Viele Teilnehmer waren zuvor nicht im Klimaschutz engagiert gewesen. Jetzt haben sie 48 Handlungsempfehlungen erarbeitet. Es ging um Windkraft, Solaranlagen, Wasserkraft, Erdwärme und um das Thema Energieeinsparung, alles zusammengefasst in einem „Bürgergutachten“.

Die Gesellschaft muss aktiver werden im Kampf gegen den Klimawandel

„Der wichtige Teil des Prozesses beginnt jetzt“, sagt Peter Behrendt, Vorstand des Freiburger Vereins Allianz für werteorientierte Demokratie (AllWeDo), der das Projekt umgesetzt hat. Marina Leibfried, die als konzeptionelle Leiterin maßgeblich den Klimabürger*innenrat moderiert hat, ergänzt: „Dieser Beteiligungsprozess war ein guter Start der Zivilgesellschaft und muss nun weiter in die Gesellschaft getragen werden. Wenn Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft an einem Strang ziehen, kann es gelingen! Es braucht alle im Boot im Kampf gegen den Klimawandel.“ Dass der zweite und so wichtige Teil der Umsetzung nicht gleich von Anfang an mitgedacht wurde, als der Klima-Bürge*innenrat installiert wurde, bemängeln beide. „Der Klima-Bürger*innenrat hat ein großes Potential und endet nicht bei einem Gutachten“, so Marina.

Marina Leibfried

Freiburg und 15 Umlandgemeinden sollten jetzt das Momentum nutzen

Zur Erinnerung: Rund 75 Städte und Gemeinden aus den Kreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen waren angefragt worden. Beteiligt hatten sich schließlich 16: Au, Buchenbach, Bollschweil, Elzach, Emmendingen, Gundelfingen, Horben, Kirchzarten, Merzhausen, Müllheim, Neuenburg, Oberried, Schallstadt, Stegen und Wittnau sowie die Stadt Freiburg. Für die meisten steht fest: Man muss das Momentum jetzt nutzen. Bislang sind daraus drei Bürgerinitiativen entstanden in Elztal, Stegen und in Freiburg-Vauban. Doch das alleine reicht nicht. Die Frage, die Peter und Marina umtreibt, ist grundsätzlicher: „Wir alle wissen eigentlich ganz genau, was wir tun müssen, um den Klimawandel zu stoppen. Das Wissen ist da“, so die beiden. „Doch es fehlen kollektive Umsetzungsformate.“

Bürgerbeteiligung und handlungsfähige Demokratie

Wie lässt sich noch mehr demokratisches Potenzial für den Klimaschutz aktivieren? Dahinter lauert auch eine Systemfrage. Krass gesagt: Gelingt es der Demokratie und damit auch dem Primat der Selbstbestimmtheit und Freiwilligkeit, gegen Erderwärmung und Umweltzerstörung kluge Konzepte umzusetzen, weil alle die Notwendigkeit einsehen und mitmachen? Oder sind autoritäre Systeme hier im Vorteil, weil sie von oben herab zentral die Regeln diktieren und die Bürger*innen zu einer Verhaltensänderung zwingen?

Allwedo – Die Allianz für werteorientierte Demokratie – steht für „wertschätzendes Verhalten und Handeln, vertrauensvolle Kooperation, ehrliche und authentische Kommunikation und klare, werteorientierte Führung“. Peter drückt es in Bezug auf den Klima-Bürger*innenrat so aus: „Unsere Botschaft ist natürlich auch, dass die Demokratie handlungsfähiger ist als autoritäre Strukturen.“ Das gilt es jetzt zu beweisen.

Peter Behrendt

Change Prozesse und gesellschaftliche Transformation von unten

Es geht also um die zentrale Frage: Welche kollektiven sozialen Umsetzungstechnologien braucht es, um all das Wissen zum Klimawandel in breite, effiziente und von allen getragene Klimaschutzaktivitäten umzusetzen? Was hindert uns daran, vom Wissen zur Tat zu schreiten? Reaktanz und die Trägheit der Masse sicherlich. „Also braucht es neue demokratische Technologien“, so Peter Behrendt. „Diese müssen wir noch weiterentwickeln. Da sind wir dran. Wichtig ist, dass wir die Gesellschaft mitnehmen“, so Marina Leibfried. In Unternehmen sind Change Prozesse üblich. Veränderung ist normal. „Wir brauchen dieses Change-Prozess-Design auch für die gesellschaftliche Transformation. Es geht darum schnell und gezielt alle in Umsetzung zu bringen“, betonen beide und meinen damit auch träge Verwaltungsabläufe in den Kommunen und Behörden.

Diese Transformation richtet sich gegen viele liebgewordene Grundsätze und berührt existenzielle Grenzen. Daher die Trägheit. Dabei braucht es in Sachen Klimaschutz jetzt Geschwindigkeit. Jeder Einzelne, jede Einzelne kann im persönlichen Umfeld mit anpacken.

Jetzt engagieren in einer Bürgerinitiative für den Klimaschutz

Marina und Peter sagen: „Alle sollten jetzt mitmachen. Politik und Verwaltung sind für die Umsetzung sehr wichtig, aber sie können den Klimaschutz alleine nicht stemmen.“ Ihr Appell: Jeder kann zum Beispiel bei einer der drei neuen Bürger-Initiativen einsteigen und sich engagieren! Es gilt selbst aktiv zu werden. Egal ob PV-Anlage auf dem Dach, Balkonsolar oder sparsames Heizen und geringer Stromverbrauch – die Klimawende gelingt nur, wenn alle an einem Strang ziehen.

Interkommunale Zusammenarbeit forcieren

Ihr zweiter Appell richtet sich an die Politik und Verwaltung: Es gelte, jetzt interkommunal weiterzudenken und gemeinsam interkommunale Konzepte zu entwickeln. Und so schlagen sie etwa eine „Stabstelle Klimaneutralität 2030“ für Freiburg und die Region vor. Die nächste große öffentliche Veranstaltung soll im März 2023 stattfinden, zusammen mit dem Umweltschutzamt der Stadt Freiburg. Außerdem hat der Klima-Bürger*innenrat einen Beirat installiert zur besseren Vernetzung und interdisziplinären Zusammenarbeit. Im Beirat sitzen neben Vertreter*innen aus der Wissenschaft auch welche aus der Wirtschaft und Landwirtschaft sowie Akteure der Zivilgesellschaft. Und mit dem Beirat ist ein Strategietreffen geplant, um die Umsetzung all dessen, was nötig ist für den Klimaschutz, voranzutreiben. Vorher wird ein kommunales Strategietreffen noch im Dezember dieses Jahres die überregionale Umsetzung in den Blick nehmen. Nach dem fulminanten Start des Klima-Bürger*innenrates vom Sommer 2022 ist allen Beteiligten klar: Kooperationen müssen gestärkt werden. Es braucht Strukturen für die interkommunale Zusammenarbeit. Denn die Energiewende macht nicht an kommunalen Grenzen halt.

Fazit:

Das Instrument geloster Bürger*innenrat kann die Klimapolitik der Region Freiburg dabei unterstützen, das selbstgesetzte Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Der Klima-Bürger*innenrat hat dabei drei zentrale Aspekte im Fokus: Den längst überfälligen Klimaschutz, außerdem die gesellschaftliche, demokratische Teilhabe durch die Beteiligung der gelosten Bürger*innen und schließlich die Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit in der Region Freiburg. Alle Engagierten sind in den Startlöchern. Wer will, darf sich mitreißen lassen und jetzt miteinsteigen.

Autorin: Antigone Kiefner

www.buergerrat-regionfreiburg.de

www.allwedo.eu

Titelfoto: Paulina Malys / KBR Region Freiburg

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