Betty Bbq

Freiburgs queere Entertainer*in

Einfach ein freier Mensch: Die bunte Botschafter*in Betty BBQ

Sie vereint vieles in einer einzigen Person: Betty BBQ ist Künstler*in, Veranstaltungsmanager*in, Stadtführer*in, Drag-Queen, Homosexuelle und vor allem ein lebenslustiger Mensch. Anlässlich der 900-Jahr-Feier zählt sie zu den neun offiziellen Botschafter*innen der Stadt Freiburg. Ein heiteres und nachdenkliches Treffen mit Betty BBQ über die Auswirkungen von Corona, queere Lebenskunst, Bollenhüte und das Ankommen in der Mitte der Gesellschaft.

Wie bei jedem und jeder Künstler*in waren die letzten Monate eine sehr fordernde Zeit, privat wie professionell. Wegen Corona war „Berufsverbot“ an der Tagesordnung. Ein doppelter Schlag für den Queerkünstler*in Betty BBQ, der sein 10-jähriges Bestreben nach mehr Sichtbarkeit bedroht sieht und jetzt finanziell haarscharf an der Kante hangelt. Von den 12 Weggefährten, die meist als Minijobber bis vor kurzem in seinem Unternehmen arbeiteten, musste er sich von einigen trennen. Und seinen Manager hat er in Kurzarbeit geschickt. „Ich selbst lebe jetzt wieder wie ein Student, meinen Lebensstandard habe ich massiv heruntergefahren“, sagt Betty. Gott sei Dank kann er/sie wenigstens wieder Stadtführungen anbieten.

Die Ungewissheit ist belastend

Es gibt keine Planungssicherheit mehr. Und nur ein Drittel ihrer Touren kann Betty anbieten. Früher war sie Monate im Voraus ausgebucht, 5.000 Gäste pro Jahr hat sie mit Freiburgs Sehenswürdigkeiten und queerer Lebensfreude beglückt. Heute weiß sie nicht, ob in drei Tagen überhaupt Besucher*innen kommen. Die beliebten Kneipentouren und Kaffeeklatsch-Events sind wegen Corona sowieso gestrichen. Ein Jammer. Ihr Saisongeschäft von Ostern bis Oktober inklusive Weihnachten und Fasnacht hängt in der Luft, die Ungewissheit zehrt an den Nerven. „Wie lange geht das noch?“ Diese Frage stellen sich viele Kulturschaffende. Dass die Soforthilfe des Landes innerhalb von zwei Tagen auf ihr Konto kam, „war super“. Überhaupt steht sie hinter allen Corona-Maßnahmen und ist dankbar, wie gut die Pandemiebewältigung in Deutschland bislang lief.

Wünsche an die Kommunalpolitik: Mehr Raum für Subkultur

Mit den Grünen als bundesweite Partei ist Betty zufrieden. Immerhin haben die Grünen als erste Partei seit den 1980er Jahren queere Lebensentwürfe politisch mitgetragen. Aber auf kommunaler Ebene sei noch Luft nach oben. Sie erhofft sich mehr Verständnis für Kleinunternehmer*innen von der städtischen FWTM (Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe). Betty, die alemannisch sprechende Drag-Queen aus einem Dorf im Elztal, fürchtet um die Kultur. Sie wünschte, die Stadt würde lockerer mit Genehmigungen umgehen und den öffentlichen Raum mehr für die Subkultur öffnen. Sie zählt Mannheim, Karlsruhe und Berlin auf: Dort habe die Corona-Krise ermöglicht, mehr regionales Programm und Subkultur in die Kulturlandschaft einzubinden,indem man den öffentlichen Raum besser für die Kultur erschloss. Die Bevölkerung sei davon begeistert, erzählt sie, und es bringe den lokalen Künstler*innen etwas Luft. In Freiburg sei die Situation hingegen schleppend. „Fehlt hier bei uns der politische Wille?“, fragt sie sich und betont: „Viele wären schon froh, wenn sie auf Spendenbasis auftreten könnten!“ Sie fordert: „Die Stadt sollte regionale Künstler*innen mehr fördern!“ Doch Betty wäre nicht Betty, wenn nicht gleich ein energiegeladenes Lachen folgen würde. Sie lenkt den Blick auch auf das Positive: Die Welt des Showgeschäfts sei in dieser Krisenzeit zusammengewachsen. 

Kunst als subversiver und charmanter Kampf für mehr Rechte

Als Drag-Queen hat Betty lange für Sichtbarkeit gekämpft. Sie ist inzwischen von Freiburg nicht mehr wegzudenken, ist sogar zum offiziellen Aushängeschild der Stadt geworden. Politisch auftreten wollte sie dennoch nie. Ihr Ziel: „Ich möchte einfach als schwuler Mann in der Mitte der Gesellschaft ankommen. Ich bin nichts Besonderes, die Gesellschaft macht aus uns was Besonderes“. Doch durch ihre queere Existenz ist sie automatisch politisch, ist sich der „sozialen Verantwortung“ ihrer Arbeit bewusst: „Alles was ich tue, hat eine politische Aussage. Denn ich trage zur queeren Sichtbarkeit bei“. Und so hat sie u.a. die Katholische Jugend Mannheim (KJG) beim Christopher Street Day unterstützt und sich damit für eine offene Kirche eingesetzt. Mittlerweile gibt es dort, aber auch in Freiburg, eine KJGay.

Betty will sich zwar nicht politisch vereinnahmen lassen, doch reden mit allen demokratischen Parteien ist ihr wichtig. Sie will Grenzen in den Köpfen abbauen. Kunst sei auch ein politischer Kampf, folgert sie, und ein Mittel, die Linien zu bewegen: Man könne sich dadurch Konservatives aneignen, anstelle es abzulehnen. Sie lacht: „Ich bin vermutlich sogar die konservativste Drag-Queen de Welt. Im Vergleich zu Hamburg oder Berlin bin ich geradezu spießig“. 

Der Bollenhut und welche Heimat wollen wir uns zurückerobern?

Bettys Markenzeichen: Bollenhut und Dirndl. Ein auch politisches Statement, das einige heimatverbundene Menschen auf die Barrikaden trieb. Tunte und Tracht – geht das zusammen? Betty ließ sich nicht beirren. Klar geht das zusammen. Mittlerweile ist ihr erster Bollenhut ein nationales Kulturgut und bis August 2020 im Haus der Geschichte in Stuttgart ausgestellt. Betty findet das „megageil“ und ist stolz über diesen Erfolg. Denn ihr wurde immer wieder vorgeworfen, das Schwarzwälder Symbol zu entweihen. Dabei, so erklärt sie sichtlich vergnügt, sei das Objekt der Begierde eigentlich ein touristischer Trick aus dem 19. Jahrhundert. Der Bollenhut, so wie ihn Betty und Künstler*innen wie etwa Stefan Strumbel einsetzen, ist mittlerweile zum Symbol eines modernen Heimatbegriffes geworden. Bis Corona kam. „Tunten tragen keinen Bollenhut“ – diese konservative Haltung sei in Coronazeiten plötzlich wieder lauter wahrnehmbar gewesen, erzählt sie, dabei hatte sie dieses Thema für „längstens abgevespert“ gehalten. Sie lacht und holt aus: „Heimat ist etwas unfassbar persönliches! Ich will den Heimatbegriff zurückerobern. Denn Heimat ist nie schwarz-weiß“. Ihr Heimatbegriff ist zutiefst solidarisch: „Heimat ist immer dann schlecht, wenn sie einen Menschen ausgrenzt“.

Und so steht Betty BBQ als bodenständige badische Travestiekünstler*in heute auch für ein modernes Schwarzwaldbild – wie als Beschwörung einer Jugend voller Ausgrenzungen. Sie hat sich sogar die Fasnacht erfolgreich zurückerobert, ist mittlerweile Ehrenmitglied (!) der traditionsreichen Rottweiler Fasnachtszunft „Narrhalla“. Betty BQQ ist im Pantheon der alemannischen Fasnachtskultur aufgenommen. Mehr Ehre geht nicht.

Der Erfolg: Botschafterin für ein buntes Freiburg

Als der Freiburger Oberbürgermeister sie letztes Jahr angerufen hatte, dachte sie zunächst, sie habe „irgendetwas angestellt“. Dann erfuhr sie, dass sie zur Jubiläumsbotschafterin der Stadt ernannt worden war. Vor kurzem fragte der SWR für eine CSD Show an. „Vor vier Jahren wäre sowas noch undenkbar gewesen“, sagt sie voller Stolz.   

Betty, eine moderne Schwarzwälderin, lebensfroh, lustig, weltoffen und tolerant, trotzt Corona so gut es geht. Ihre Liebe zu der Stadt und der Region sind unübersehbar, ihr Rolle als bunte Botschafterin ein wahres Glück für ein buntes Stadtgefühl.

Mehr Infos: www.betty-bbq.com

Autorinnen: Antigone Kiefner und Florence Baader

Beide journalistisch und immer neugierig unterwegs.

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